In Gütersloh gedruckt, in ganz Europa verteilt

Vor acht Jahren baute der Druck- und Mediendienstleister Mohn Media seine Produktlinie Prospekte neu auf. Heute ist das Prospektgeschäft für Dirk Kemmerer, CEO Mohn Media und Digital Marketing der Bertelsmann Printing Group, eine der wichtigsten Säulen im Unternehmen.

 

  • 14,5 Millionen solcher Prospekte werden monatlich bei Mohn Media produziert und von dort aus in mehrere europäische Länder geliefert.
  • Dirk Kemmerer, CEO Mohn Media und Digital Marketing der Bertelsmann Printing Group

Was haben ein Supermarktkunde aus Polen, ein Schnäppchenjäger aus Frankreich und ein Hundebesitzer aus Irland gemeinsam? Richtig, in den seltensten Fällen werden sie die deutsche Stadt Gütersloh kennen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in ihrem Alltag dennoch zahlreiche Berührungspunkte mit Gütersloh haben – ohne dies zu wissen –, ist trotzdem groß. Zahlreiche Prospekte, die in Polen, Frankreich, Irland und vielen weiteren europäischen Ländern in Supermärkten ausliegen oder in privaten Briefkästen landen, werden genau dort produziert, und das nicht zu knapp. 

Rund 200 Millionen Prospekte werden jeden Monat bei Mohn Media am Stammsitz von Bertelsmann gedruckt, weiterverarbeitet und von dort in über 15 verschiedene europäische Länder ausgeliefert. Drei 96-Seiten-Druckmaschinen stehen eigens für den Prospektdruck in den Hallen an der Gütersloher Carl-Bertelsmann-Straße. Damit hat sich das Prospektgeschäft für das zur Bertelsmann Printing Group gehörende Unternehmen in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Wachstumstreiber entwickelt – trotz zunehmender Digitalisierung der Gesellschaft. „Für eine umsatzorientierte Industrie wie den Einzelhandel, die bei uns 90 Prozent des Prospektvolumens ausmacht, funktioniert diese Form der Werbung extrem gut. Die absolute Menge an Handzetteln ist in den vergangenen Jahren, trotz Trends wie dem Mobile Couponing, gestiegen“, erklärt Dirk Kemmerer, CEO Mohn Media und Digital Marketing der Bertelsmann Printing Group. 

Paradigmenwechsel in der Branche

Die Gründe dafür seien vielfältig, und obwohl der Prospekt länderübergreifend bei vielen Endverbrauchern gut ankomme, seien die Deutschen in Sachen Prospektwerbung absolute Spitzenreiter. „Zum einen ist der Einzelhandel hier sehr stark fragmentiert. Die größte Entfernung zum nächsten Supermarkt beträgt durchschnittlich weniger als 800 Meter“, beschreibt Kemmerer die Situation im Land. Die Händler müssten sich also voneinander differenzieren, „und das geht bei Brot und Butter zum einen über den Preis. Zum anderen spielen aber auch das Produktportfolio, insbesondere bestimmte Marken oder Aktionswaren, eine wichtige Rolle.“ Darüber hinaus habe vor allem in Deutschland vor etwa zehn Jahren ein Paradigmenwechsel in der Branche stattgefunden, fährt er fort – mit enormen Auswirkungen auf den Druck. Während Prospekte lange lediglich in den Filialen vor Ort für die Produkte im Laden warben, entwickelte sich die Idee, den Bedarf beim Kunden zusätzlich bereits viel früher zu wecken: zu Hause, an seinem Frühstückstisch. „Am Samstagvormittag vor dem Wochenendeinkauf ist der Handzettel nach wie vor das wirksamste Medium“, stellt Dirk Kemmerer fest.

So stieg Mohn Media im Zuge der zunehmenden Prospektwerbung in privaten Briefkästen und dem damit größer werdenden Druckvolumen im Prospektbereich im Jahr 2010 nach einer längeren Auszeit wieder in das Geschäft ein und baute die Produktlinie Prospekte neu auf. „Da viele unserer Kunden im Einzelhandel Filialen in ganz Europa betreiben, liefern wir Prospekte dementsprechend auch nach Belgien, in die Niederlande, nach Italien, Spanien oder Osteuropa“, zeigt Kemmerer den Umfang des Geschäfts auf. Der Lebensmitteleinzelhandel mache dabei den größten Anteil aus, sodass die bunten Broschüren aus Gütersloh meistens eben in den Händen von Supermarktkunden landen. 

Doch auch Haustierbesitzern in ganz Europa kann tagtäglich eine Broschüre aus Ostwestfalen in die Finger geraten. Als jüngsten Kunden konnte Mohn Media nämlich Anfang dieses Jahres die Fressnapf-Gruppe von sich überzeugen. Das Franchise-Unternehmen mit Sitz in Krefeld ist Europas größte Fachhandelskette für Tiernahrung und -zubehör. In nicht deutschsprachigen Ländern firmieren die Fressnapf-Märkte mit wenigen Ausnahmen unter dem Namen „Maxi Zoo“. „Bei dem Prospekt für unseren Kunden Fressnapf handelt es sich um ein zwölfseitiges Produkt, das auf 45-Gramm-Zeitungspapier gedruckt wird“, beschreibt Dirk Kemmerer den aktuellen Auftrag. Darin enthalten sind die jeweiligen Angebote des Monats – von Spielzeug für Hunde über Snacks für Katzen bis hin zu Kleintierstroh und Vogelfutter. 

320.000 Broschüren pro Stunde 

Rund 14,5 Millionen dieser Prospekte werden monatlich bei Mohn Media produziert und von dort aus in ganz Deutschland sowie nach Frankreich, Belgien, Irland und Luxemburg ausgeliefert. Die belgische Ausgabe erscheint dabei in drei verschiedenen Sprachversionen: auf Niederländisch, Französisch und in einer zweisprachigen Variante. 250 Tonnen Papier werden im Monat allein für die Herstellung der Fressnapf-Prospekte benötigt, was in etwa zwölf Lkw-Ladungen entspricht. Liegen alle Druckdaten vor, geht die Produktion der Fressnapf-Prospekte schnell von der Hand. Die Herstellung der deutschen Ausgabe, die in einer Auflage von sieben Millionen Exemplaren erscheint, dauert etwa einen Tag. Mit 50 Kilometern pro Stunde rauschen die Fressnapf-Broschüren dann durch die riesige Druckmaschine, sodass in der Stunde circa 320.000 Exemplare entstehen.

Nach dem Druck ist eine der zentralen Herausforderungen die Logistik. „Bei unserem Kunden Fressnapf ist Irland momentan das Land, das von Gütersloh aus gesehen am weitesten entfernt ist. Das heißt, die Lkws müssen rechtzeitig bestellt werden, damit das Produkt pünktlich ankommt. Der Weg ist lang und wir müssen hier zusätzlich Wasser überqueren“, fährt Kemmerer fort. Von insgesamt zwölf Ländern, in denen Fressnapf zurzeit Märkte betreibt, beliefert Mohn Media aktuell fünf mit Prospekten „made in Gütersloh“. Aufgrund der Risikostreuung sei es im Geschäft üblich, Druckaufträge für verschiedene Regionen an unterschiedliche Unternehmen zu vergeben, erklärt Dirk Kemmerer. Zwischendurch komme es aber durchaus vor, dass Mohn Media einspringen und Produktionsausfälle in einem anderen Land ausgleichen müsse. 

Schnelle Produktionszeiten, weite Wegstrecken, pünktliche Lieferungen: Obwohl die Herstellung der Prospekte jeden Monat nach dem immer selben Verfahren abläuft, sorgen vor allem diese drei Faktoren dafür, dass das Geschäft für die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vertrieb, im Druck, in der Weiterverarbeitung und in der Distribution bei Mohn Media jeden Monat eine neue und gleichzeitig spannende Herausforderung ist. Die Internationalität des Geschäfts sei dabei zusätzlich etwas ganz Besonderes, betont Dirk Kemmerer. „Unsere Kunden haben ihre Zentralen oft in Deutschland und erwarten von uns, dass wir die internationale Distribution und Kommunikation für sie steuern. So haben die Kollegen aus unserem Vertriebsteam beispielsweise jeden Tag mit Ansprechpartnern aus unterschiedlichen Ländern zu tun und treffen dabei auf viele verschiedene kulturelle Hintergründe.“ 

Internationalität des Geschäfts ist etwas Besonderes 

Die Zukunft des Prospektgeschäfts sieht er trotz der zunehmenden Digitalisierung weiter positiv. Durch den Neustart vor acht Jahren ist das Geschäft rasant zu einer respektablen Größe im Mohn-Media-Geschäft gewachsen und steht nun auf stabilen Füßen. „Ein moderates Wachstum ist aber auch in Zukunft weiterhin möglich“, so Kemmerer. Er plant, den Vertrieb langfristig in zwei Richtungen weiterzuentwickeln. Auf der einen Seite soll das Geschäft mit bereits bestehenden Kunden erweitert werden. „Eine Option wäre beispielsweise, dass man kürzere Anschlussketten vereinbart, ein Prospekt also im Monat häufiger erscheint, als es bisher der Fall ist.“ Auch größere Umfänge, also eine Erhöhung der Seitenzahl von zwölf auf 24 oder 36 Seiten, kann sich der Mohn-Media-Geschäftsführer hierbei vorstellen. „Und natürlich können wir über die Erschließung neuer Länder weiter wachsen“, fasst Kemmerer die Möglichkeiten im Bestandskundengeschäft zusammen. Auf der anderen Seite will Mohn Media in der Prospektsparte neue Kunden für sich gewinnen, ein bis zwei pro Jahr sind dabei geplant. Dirk Kemmerer ist in jedem Fall zuversichtlich: „Die Produktlinie Prospekte wird auch in fünf Jahren noch eine der wichtigsten Säulen bei Mohn Media sein.“